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Freitag, 24.6.: vier Wochen guter konditioneller Vorbereitung liegen hinter mir - die letzten Tage waren nicht so prickelnd, aber dafür fühle ich mich von meiner leichten Verkühlung wieder vollständig genesen ... und das ist ja auch nicht zu unterschätzen.
Heute beginnt also das Highlight der diesjährigen Tour. Zunächst werde ich zum Lucknerhaus "rüberfahren". Tatsächlich ist es so, denn ich werde von St. Jakob das Defereggental hinunterdüsen, komme in Huben raus und benutze dort die steil ansteigende Straße ins Kalser Tal. Dort geht es "rechts" weg ins Ködnitzertal über die Kalser Glocknerstraße, die ihren Endpunkt beim Lucknerhaus (1.928m) hat. Das Lucknerhaus ist idealer Ausgangspunkt, um am nächsten Tag zur Stüdlhütte (2.802m) zu gehen und dort nach einer weiteren Nächtigung, den Großglockner (3.798m) zu besteigen. So der Plan bis Sonntag - aber zunächst zur ersten Etappe.
Kurz nach sechs stehe ich auf und fange an meine Sachen zu packen; heute heißt es ja nur kurz verstauen, denn am Lucknerhaus werden sie gleich wieder komplett ausgepackt, um den Tourenrucksack herzurichten. Trotzdem dauert das seine Zeit, denn ich habe unglaublich viel Krempel dabei, der verstaut werden möchte. Vorher habe ich das gestern Abend fabrizierte "St. Jakob und Umgebung" Video noch ausgebessert - es ist jetzt schon wesentlich "runder" und es fehlt nur der Feinschliff, der irgendwann erfolgt.
Ein Kaffee und ein Vollkornwecker zu mir genommen und den Müll entsorgt. Zum Bewohnen des Alpenvereinshauses gehört auch, dass jeder seinen Müll selber beseitigt, die Betten abzieht und wenn nötig, das Zimmer einer Grundreinigung unterzieht. Es soll im Grunde so hinterlassen werden, wie man es vorgefunden hat - genauso ist es auch passiert und um 7:30 schwinge ich mich auf meinen Drahtesel und düse so 600 HM hinunter nach Huben. Auf der Strecke von 22 Klometern muss ich nur gelegentlich etwas treten, dass ist auch gut so, denn auf der anderen Seite geht es dann ca. 1.100 Meter nach oben und dafür brauche ich Akku. Eine kurze Pause um die "Gegenstraße" zu fotografieren (auf den Bildern sieht es immer so harmlos aus) und es geht weiter. In Huben angekommen, wird nur der Hauptplatz passiert und der Anstieg nach Kals kann beginnen. Diese Straße ist nicht ohne, es braucht doch einiges an Akku-Leistung und Muskelunterstützung, um mit dem beladenen Rad den Berg hinaufzukommen - aber gut - eine Lockerungsübung für die Beine ist ja auch nicht übel. Nach ungefähr 550 Höhenmetern kommt Kals ins Blickfeld, von hier sind es ebenfalls nochmals fast 600 Höhenmeter bis zum Lucknerhaus. Die Straße schlängelt sich am Hang entlang und 2,5 Kilometer vor der heutigen Endstation kommt die Mautstraße. Ich ziehe natürlich kein Ticket, Radfahrer brauchen so etwas nicht und fahre die letzten Meter zum Haus. Kurz nach 10 Uhr komme ich an - ich bin viiiiiiiel zu früh, mein Zimmer kann ich erst später beziehen. Also schaue ich mich ein wenig in der Gegend um und trockne mich und mein Gewand auf einem sonnigen Bankerl.
Irgendwo dahinten in den Wolken ist das Objekt meiner Begierde - der Großglockner. Ich bin heute ohne Regen hierher gefahren, das war nicht ganz klar, denn es wurde doch ein wenig feuchtes Nass von oben angekündigt, ist aber nicht so gekommen. Am späteren Abend und in der Nacht soll es dann regnen, bevor es die nächsten zwei Tage dann, nach heutiger Wettervorhersage, traumhaft schön werden soll. Ihr werdet bis Sonntagabend, wenn ich dann hoffentlich gesund wieder herunten bin, nichts von mir hören oder lesen. Meinen Computer nehme ich nicht mit zur Stüdlhütte - echt nicht 😜. Und am Handy tippseln werde ich auch nicht - zumal es vermutlich auch keinen Empfang geben wird; evtl. WLAN auf der Stüdlhütte morgen - vielleicht gibt es ein oder zwei Fotos und ein paar Comments ... mal sehen.
Heute Abend werde ich mich im 3 Sterne Haus bedienen lassen und nicht selber meine Mahlzeit zubereiten, geht ja auch nicht ...
Samstag, 25.6.: fast halb elf und nach zweieinhalb Stunden bin ich gut auf der Stüdlhütte angekommen.
Zurück zum Tagesanfang; um 7:50 geht's los und da auf der Webpage der Stüdlhütte der "Normalweg" als gesperrt aufscheint (es finden dort Felssprengarbeiten statt), gibt es einen kleinen Umweg über den Anfang des Mürztaler Steigs, er führt dann in weiterer Folge direkt zur Adlersruhe. Dieser kleine Umweg bedeutet 880 Meter mehr Gehstrecke und 20 Höhenmeter mehr, also nicht der Rede wert. Übrigens dürfe dieser Weg aus meiner Sicht auch der schönere sein, da der Weg ca. 500 Meter vor der Hütte den Hang fast eben quert und man recht "ausgeruht" die Hütte erreicht. Es geht also zunächst langsam ansteigend den Forstweg in Richtung Lucknerhütte, bis kurz nach der
Lucknerhütte (2.241m), der Abzweig zum Mürztaler Steig folgt.
Der Weg wird schmal, steiler, aber es geht echt zügig voran.
Zwischenzeitlich werden neue Brücken die über Bäche gequert und irgendwann kommt der erste, doch schon recht nahe Blick auf den Großglockner. Es geht dann noch ein paar Meter bergan und nach wenigen waagerechten Metern erreiche ich die
Stüdlhütte. Die Hütte ist auf 2.801 Meter Höhe gelegen und gehört der Sektion Oberland (München) des Deutschen Alpenvereins. Die Namensgebung erfolgte nach dem Prager Kaufmann Johann Stüdl, der u. a. den Kalser Bergführerverein gegründet hat und somit maßgeblich für die alpinistische Erschließung der Glocknerregion war. Witzig ist die Tafel, die links neben dem Eingang angebracht ist. Die Nachfrage nach der "Frau" ergab, dass sich die Suche mittlerweile erledigt hat, sie die Tafel aber dort hängengelassen haben - ist eine sehr nette Idee 😄.
Auf der Hütte angekommen, es ist für das Treffen der drei Bergsteiger mit ihrem Bergführer um 18 Uhr natürlich noch viel zu früh, setze ich mich vor die Hütte und genieße den restlichen Tag. Ein paar ganz ganz kleine Ausflüge in die Umgebung mache ich noch.. Um kurz vor 18 Uhr trifft unsere "Seilschaft" zusammen, die aus dem Bergführer Daniel, Florian, Michael und mir besteht. Wir kennen uns alle nicht, da wir die Tour unabhängig voneinander über Alpinewelten gebucht haben. Trotzdem verstehen wir uns auf Anhieb hervorragend, wir verfolgen schließlich ein gemeinsames Ziel. Wir tauschen Erfahrungen aus, finden genügend anderen Gesprächsstoff und verbringen den Abend bis zur Nachtruhe gemeinsam. Es ist ein sehr sehr netter Abend und ich freue mich schon jetzt, mit euch morgen auf den Berg zu gehen. Das Gedränge beim abendlichen Buffet ist erstaunlich - unfassbar, es werden morgen sehr viele auf den Glockner wollen, es ist ja auch schönes Wetter angesagt und noch dazu Wochenende. Zudem werden auch noch einige Bergsteiger*innen von der Erzherzog-Johann-Hütte aufsteigen, die gute 600 Höhenmeter höher auf 3.454 Metern unterhalb vom Glockner liegt.
Nach dem Abendessen wird noch die Ausrüstung anprobiert, dazu gehören Steigeisen, Helm und Hüftgurt. Um 22 Uhr ist Hüttenruhe und wir verschwinden auf's Lager. Für uns drei sind auf Lager 3 die Matratzenbetten 4,5 und 6 im oberen Stockbett reserviert. Es ist unerträglich warm (das Fenster ist geschlossen und einige der Kamerad*innen haben sich schon zur Ruhe begeben). Wir befürchten zurecht, dass wir diese Nacht nur wenig Schlaf abbekommen werden. Etwas wird es wohl doch gewesen sein, denn Michael (er lag neben mir) berichtet am nächsten Tag, dass er mich hat doch etwas Schnarchen hören (unvorstellbar 😉). Um 3 Uhr war die Nacht dann ohnehin zu Ende ...
Den Hüttenaufstieg habe ich auf Bergfex aufgezeichnet und es sind dort noch mehr Bilder integriert. Den Link findet ihr hier:
Aufstieg Stüdlhütte
Sonntag, 26.6.: ... JAAAAAA ... mein Ziel des letzten halben Jahres und besonders auch des diesjährigen Urlaubs ist erreicht - auf den Punkt genau. Ich habe den Großglockner bestiegen.
Leider mit einem sehr sehr bitteren Beigeschmack, denn beim Abstieg hat sich Florian, einer von uns dreien aus unserer Seilschaft (plus Bergführer), den Fuß gebrochen. Er musste dann per ÖAMTC Hubschrauber und Seil geborgen werden. Auch den "Samstag" habe ich soeben unter diesen Eindrücken geschrieben und ich möchte dieses Ereignis, weil es doch derzeit mein Gefühlsleben recht prägt, dem Bericht der Großglockner Besteigung voranstellen. Dazu verwende ich einen Pressebericht aus der Kleinen Zeitung (Bericht), der es genau so wiedergibt, wie es passiert ist.
Noch eine Zusatzbemerkung: nachdem meine Urlaubserzählungen doch ein recht authentischer Reisebericht sein sollen, gehören natürlich auch sehr negative Erfahrungen in diesen Bericht; daher werde ich negative Erlebnisse genauso berichten, auch wenn es weh tut.
Es gibt dem nichts hinzuzufügen, genau so hat es sich abgespielt und ich war der Vorausgehende 😭 (auf diese Publicity hätte ich echt verzichten können ☹️). Es wird mich noch einige Zeit beschäftigen und ich habe es mit den anderen beiden, Michael und Daniel nach der Tour noch diskutiert. Grundsätzlich hätte es jeden von uns treffen können und ich bräuchte mir keine Vorwürfe machen war ihr Statement, wir waren eine Seilschaft. Ausrutschen kann man nun mal, das ist okay, dass es dann so endet, ist natürlich sehr sehr bitter und es tut mir für Flo unendlich leid, da er eine geplante längere Tour jetzt nicht durchführen kann. Auch wenn es, wie erwähnt, jeden hätte treffen können, ich war nun mal der Auslöser ... mein Kopf kann der Erklärung und den Worten der beiden folgen und ich würde es genauso sehen - doch der Bauch sagt etwas ganz anderes ...
Zurück aber zum Bericht der Besteigung - immer unter dem Eindruck des gestrigen bitteren Ereignisses.
Für mich und ich weiß es auch von Michael, ist die Nacht um 3 Uhr zu Ende; um 4 Uhr stehen wir dann auf, packen unsere heute benötigten Sachen, wenn nicht schon gestern Abend passiert und deponieren die, für den Aufstieg nicht benötigten Dinge, für die spätere Mitnahme hinunter zum Lucknerhaus auf der Hütte - schließlich ist jedes unnütze Gramm willkommen, das wir nicht mitschleppen müssen. Wir möchten uns gleich mit einem guten Frühstück stärken, aber Fehlanzeige; Frühstück gibt es wohl erst ab 4:30 (da haben wir gestern Abend wohl etwas missverstanden). Um 4:45 kommt auch Daniel und wir sind dann bald aufbruchbereit - um 5:15 geht's los. Die Eindrücke kurz vor Sonnenaufgang sind überwältigend und bis zur Adlersruhe werden wir im Schatten gehen können. Um 5 Uhr liegen die Temperaturen bei der Hütte auf 2.800 bei 12 °C. Das ist ungewöhnlich warm (mild trifft es hier nicht - es ist echt warm!).
Sobald wir in den Bereich des Ködnitzkeeses kommen, wird es deutlich kühler und die Steine, die unseren Weg bilden, sind mit einer gefrorenen Reifschicht überzogen. Am Beginn des Keeses legen wir Steigeisen an, setzen den Helm wegen möglicherweise später auftretenden Steinschlags auf und hängen uns in das Seil ein. Ich entscheide mich als letzter zu gehen, Daniel als Bergführer geht voran, Flo geht vor mir und Michi vor ihm. An dieser Reihenfolge wird sich auch bis zum Abstieg nichts ändern. Nach einem etwas steileren Anstieg über das Kess, umgehen wir die erste Klettersteigpassage und steigen bei der zweiten ein. Diese führt seilgesichert zur Adlersruhe, auf der die Erzherzog-Johann-Hütte auf 3.454 Meter steht.
Die Erzherzog-Johann-Hütte ist die einzige Schutzhütte des Österreichischen Alpenklubs (ÖAK). Sie ist nach Erzherzog Johann von Österreich benannt, der ein Förderer des Alpinismus war und wurde am 18. August 1880 eröffnet. Der Ausblick von hier oben ist ein Traum, die noch tief stehende Sonne flutet alles in satte Farben und der weitere Weg hinauf über das Glocknerleitl, ein steil ansteigendes Schneefeld (im Hochsommer meistens Eisfeld, liegt vor uns. Der Aufstieg von hier zum Großglockner beträgt ca. 1,5 bis 2 Stunden und viele Bergsteiger*innen, die auf der hoch gelegenen Hütte übernachten, nutzen diese, um entweder einen Sonnenaufgang oder einen Sonnenuntergang auf dem Gipfel zu erleben.
Nach einer weiteren halben Stunde erreichen wir den Einstieg zum Klettersteig, der hinauf zum Kleinglockner führt. Wie es zu erwarten war, tummeln sich jede Menge Seilschaften sowohl bergauf, aber auch schon bergab. Wir versuchen wenige Meter abseits an anderen Kletterstellen den Auf- und Absteigenden auszuweichen, was auch ganz gut gelingt. Für mich ungewohnt ist das Klettern mit Steigeisen, ich bin früher echt viel im 4.-5. Schwierigkeitsgrad geklettert, aber mit Steigeisen bisher nicht wirklich. Die Steigeisen behalten wir übrigens die gesamte Tour bis zum Verlassen des Ködnitz Keeses auf dem Rückweg an. Es geht die Felsen steiler werdend hinauf; die Passagen sind sehr gut abgesichert, doch besonders in diesem unteren Teil auch recht anstrengend zu gehen. Im Laufe des Aufstiegs werden durch Wartezeiten beim "Anstellen, um auf den Berg zu kommen" oder sich gegenseitig vorbeizulassen, kleinere Pausen eingelegt, die nicht unwillkommen sind. Flo und Michi haben sichtlich ihre Freude beim Klettern 😉.
Es geht weiter hinauf, bis wir um ca. 9:10 den Kleinglockner erreichen. Von hier geht es zunächst nochmals felsig steil hinab zur Schlüsselstelle des Großglockners, der Glocknerscharte. Die Glocknerscharte ist ein sehr schmaler, ausgesetzter Grat, der zur Schlusswand des Großglockners führt. Die Scharte ist wirklich sehr schmal und das Bild mit meinem Fuß zeigt ihre Breite. Sie wird wohl so zwei Schuhlängen, also ungefähr 50-60 Zentimeter breit sein. Der schmale Streifen ist so schmal, dass man ihn nur alleine gehen kann und die, die ihn queren möchten, jeweils auf der anderen Seite warten müssen. Ich habe keine Infos über die Länge des kurzen Grates gefunden, schätze sie aber auf ca. 5-6 Meter. Auf der nördlichen Seite geht es in die 800 Meter lange Palavicinirinne hinab, der Tiefblick in die südliche Seite auf das Ködnitzkees hat nahezu dieselbe Dimension - schwindelfrei sollte man schon sein.
Von hier geht es dann noch 30 Minuten in Kletterei im 2. Schwierigkeitsgrad zum Gipfel. Leider hat es mittlerweile fast komplett zugezogen, im Tal wird das Wetter herrlich sein, der Gipfel ist jetzt aber überwiegend von Wolken verhangen.
Mein sportliches Ziel des letzten halben Jahres habe ich um 9:35 erreicht, es war echt anstrengend, auf dem Gipfel kommt aber wirkliche Zufriedenheit auf. Wir wünschen uns gegenseitig Bergheil und genießen für ein paar Minuten den Gipfel.
Das Gipfelkreuz ist übrigens einzigartig. Es ist ein drei Meter hohes, massives Kreuz, konstruiert aus Eisenrohren und rahmenden Eisenlatten, verbunden durch geschmiedete Schrauben. An den Kreuzenden befindet sich jeweils ein profilierter Knauf, im Schnittpunkt des Kreuzes kreisrunde Scheiben, Am Stamm ist noch ein kleiner Corpus Christi befestigt. Das Gesamtgewicht beträgt 330 kg. Die Geschichte des Kreuzes könnt ihr hier nachlesen: Gipfelkreuz Großglockner
Nach einer kurzen Gipfelrast brechen wir auf und begeben uns auf demselben Weg zurück. Diesmal bin ich es der vorgeht, da die Sicherung im Abstieg natürlich hinten erfolgen muss. Wieder befinden sich einige Seilschaften Im Anstieg und im Abstieg, sodass wir zum einen Wartezeiten haben, als auch kleinere Ausweichrouten wählen. Der Abstieg ist nicht weniger anstrengend wie der Aufstieg, von diesem existieren keine Fotos, zumindest habe ich keine gemacht. Wir erreichen die Adlersruhe, klettern auch dort wieder den Klettersteig bis zum Ködniskees hinab, queren das Kees ein paar Meter, bevor es in einer kurzen felsigen Stufe wieder auf's Kees geht. Mit Erlaubnis von Florian darf ich die nachfolgenden Ereignisse aus meiner Sicht erzählen, wobei die "zusammengefasste Geschichte" des Artikels der Kleinen Zeitung in der Kurzform die Ereignisse exakt wiedergibt.
Unfallhergang, Versorgung und Bergung
Bisher bin ich den gesamten Abstieg vom Gipfel des Großglockners vorangegangen. Wir erreichen den wenig hohen Felsvorsprung auf dem Ködnitzkess und ich versuche die 1,5 Meter Fels zu überwinden, rutsche aus und fliege rückwärts den leichten Hang hinunter. Im Stürzen sehe ich, wie Flo mitgerissen wird, er dann ebenfalls stürzt und mit seinem Fuß/Bein zwischen zwei Felsen/Steinen hängenbleibt. Ich auf dem Rücken strampelnd, um wieder aus einer kleinen Schneesenke hervorzukommen und Flo über mir mit seinem Fuß zwischen zwei Felsblöcken eingeklemmt. Den Hebel mit dem festhängenden Fuß und dem weiterstürzenden Körper könnt ihr euch vielleicht vorstellen - das hält kein Fuß aus. Flo sagt sofort und das wiederholt, er ist gebrochen, er hat es auch Brechen/Knacken hören. Ich habe mich langsam aufgerappelt und sehe, dass der Fuß tatsächlich in einem etwas unnatürlichen Winkel wegsteht - er ist wirklich gebrochen. Michi kommt zu Hilfe, Daniel hat uns mittlerweile von oben über den im Schnee eingerammten Pickel gesichert und ruft sofort den Hubschrauber. Zwischenzeitlich wird Flo aus seinem Steingefängnis unter sehr großen Schmerzen befreit und auf den Weg im Schnee gehoben/gezogen. Jede auch nur kleinste Bewegung bereitet ihm höllische Schmerzen - es ist für mich im Nachhinein unfassbar, wie er diese Schmerzen ohne loszubrüllen aushalten konnte - vermutlich tat der physische Schock sein Übriges. Flo liegt also im Schnee, wir versuchen seine Regenjacke unter ihm zu platzieren, damit er nicht vollkommen durchnässt wird (wir befinden uns doch immerhin noch auf einer Höhe von ca. 3.300m) und die Sonne hat sich ja leider hinter den Wolken verkrochen. Daniel holt noch seine Steppjacke heraus und borgt sie Flo als "Decke". So warten wir bzw. eher Flo auf das Eintreffen des Rettungshubschraubers. Für Florian nach einer gefühlten Ewigkeit (ich schätze es werden nicht ganz 15 Minuten gewesen sein) kommt der Heli, kreist ein paarmal über uns und zieht dann wieder ab. Er kann einfach an dieser Stelle nicht landen. Nach weiteren gefühlten 15 Minuten und einer schier endlosen Wartezeit für Flo, kehrt der Hubschrauber mit einem Tau zurück, die Bergung erfolgt also über das Seil. Zwei Rettungssanitäter hängen am Seil, zusätzlich ein riesiger gelber Rucksack, sowie die später aufzublasende Wanne, in die Flo gelegt wird. Der ÖAMTC Hubschrauber steht direkt über uns, der Sturm, den die Rotorblätter verursachen ist gewaltig und Daniel sagte schon im Vorhinein, wir sollten alles festhalten, was irgendwie nicht angebunden ist. So auch die Steigeisen, die mittlerweile von Flo's Schuhen unter ziemlichen Schmerzen entfernt wurden. Tatsächlich werden, solange der Hubschrauber über uns steht, auch kleine Steine durch die Luft gewirbelt, die zwar keinen Schaden anrichten, was aber auch zeigt, welche Kräfte hinter den rotierenden Rotorblättern steckt. Die zwei Sanitäter und ihr gesamtes Equipment sind abgesetzt und der Hubschrauber fliegt zunächst mal davon. Mittlerweile werden Flo's Schmerzen ärger, einer der Sanitäter/Rettungsärzte öffnet den Rucksack und legt Flo in seine rechte Armbeuge einen intravenösen Zugang. Über den bekommt Flo ein sehr starkes Schmerzmittel verabreicht in Kombination mit einem Anti-Brechmittel. Mehrmals muss nachgespritzt werden, um die Verlagerung von Flo in die rote, aufblasbare Wanne, es für ihn halbwegs erträglich zu machen. Tatsächlich beginnt Flo jetzt - trotz der bereits einsetzenden Wirkung des Schmerzmittels - das erste mal an zu schreien. Bis er mit seinem gebrochenen Fuß vollkommen in der Wanne "verstaut" ist, vergeht eine gefühlte Ewigkeit - immer unter höllischen Schmerzen, die auch nach mehrmaligen Nachspritzen nur gering nachlassen. Irgendwann liegt Florian in der richtigen Position und die Wanne wird für den Transport am Hubschrauber aufgeblasen. Der Hubschrauber kehrt zurück, er trifft mit dem herunterhängenden Tau sofort die Stelle und die Wanne wird am Karabiner am unteren Ende des Seils befestigt. Der Abtransport kann also beginnen. Soweit der Ablauf der Bergung, wie ich sie aus meiner zwei Meter entfernten Sicht beobachtet habe
Beim weiteren Rückweg erwähnt Michael noch, dass er gestern scherzhaft gemeint hatte, wir gehen zu viert los und kommen zu dritt zurück; so war es aber definitiv nicht gemeint. Wir hatten uns gestern Abend noch unterhalten, ob wir dieser Tour gewachsen wären und einer von uns eventuell an einer Stelle auf die Rückkehrer warten müsste.
Wir erreichen die Stüdlhütte und zumindest bei mir herrscht eine sehr gedrückte Stimmung. Wir trinken und essen etwas, verabschieden uns, Daniel und Michael gehen schon hinunter zum Lucknerhaus, ich trete meinen Rückweg etwas später, um 16 Uhr an. Nach eineinhalb Stunden gemütlicher Geherei erreiche ich das Haus, ich ruhe mich ein wenig aus und gehe dann recht bald zum Abendessen. Der Ausblick vom Tisch am Fenster, zeigt den Großglockner im abendlichen Licht - wenn dieses unsägliche Unglück nicht passiert wer, es wäre ein perfekter Tag gewesen ...
Nach einer kurzen Plauderei mit drei jugendlichen Hüttengehern, streiche ich für heute die Segel und bin echt froh ins Bett zu kommen ... noch ein paar WhatsApp Nachrichten, WLAN ist ja super hier - einen Handyempfang habe ich, wenn überhaupt nur sporadisch und es fallen mir die Augen zu ...
Den Link zum Bergfex Tracking der Tour (mit der Mehrzahl der Bilder) findet ihr hier: Normalweg Großglockner von der Stüdlhütte
Mein ganz persönliches Lieblingsbild der Tour folgt unten. Es ist nicht von mir - schließlich bin ich mit Helm zu sehen - es vom Video von Flo extrahiert. Es zeigt die wundervolle Umgebung und die faszinierende Gratkletterei ...
Zum Abschluss und als Erinnerung für unsere gemeinsame Tour kommt jetzt noch ein Video, welche ich aus unseren Videos zusammengestellt habe. Der Glockner ist beeindruckend und wenn ihn viele als "Nachmittagsspaziergang" bezeichnen, dann haben sie die Ernsthaftigkeit des Berges einfach nicht verstanden - und dies ist nicht nur unter den Eindrücken des Unfalls geschrieben ...
Montag, 27.6.: nun, der Schrittzähler auf der Apple Watch (ich trage sie den ganzen Tag) zeigt nicht einmal 2.000 Schritte an - also ein sehr sehr ruhiger Tag, was das physische Engagement betrifft. Meine Muskeln werden es mir danken!
Um 5:30 bin ich aufgewacht und das waren 7 Stunden Schlaf am Stück, die ich (ich kann mich echt nicht erinnern) lange nicht mehr zusammengebracht habe. Ich muss auch ehrlich gestehen, als ich gestern nach der netten Plauderei mit den jungen Hüttenwanderen um 21:30 ins Bett gegangen bin und es noch ein paar WhatsApp Nachrichten hin und her gegeben hatte, war ich aber im Grunde ziemlich ko. Das lange Schlafen hat echt gut getan!
Der Tag ist dementsprechend verlaufen, ich habe mir ein intensives Frühstück gegönnt und dann den Blog der letzten zwei Tage nachgeholt - das hat doch so drei Stündchen gedauert. Gestern wurde noch das, auf der Hütte zurückgelassene Gepäck von Flo, mit der Materialseilbahn zur Lucknerhütte gebracht und heute zum Lucknerhaus transferiert. Ich brauchte es also von der Lucknerhütte nicht selbst abholen, was eigentlich ursprünglich so geplant war. Auch geplant war, dass ich, da ich ja morgen ohnehin nach Lienz weiterfahre, Florian seine Sachen vorbeibringen. Es hat sich allerdings sein Vater angekündigt, der das Auto von Florian abholt und dann ebenfalls sein Gepäck mitnimmt.
Für mich war es sehr wichtig, mit Florians Vater zu sprechen und ihm mein Bedauern zu dem Unfall auszudrücken; ich hatte dies auch so dem Personal vom Lucknerhaus mitgeteilt. Zu späterer Mittagszeit kam dann die Nachricht, er wäre da, würde das Auto packen und wüsste, dass ich da wäre und auf ihn warten würde. Nach einiger Zeit kam der Herr auf mich zu, er wusste wo ich sitze, und begrüßte mich ausgesprochen freundlich und stelle sich mit seinem Vornamen Werner vor. Wir haben uns dann zu einem eher abgelegeneren Tisch zurückgezogen und ich habe ihm mein Bedauern zum Unglück ausgesprochen. Ich erzählte ihm den Hergang des Unglücks mehr oder weniger in allen Einzelheiten, ebenso die Bergung von Florian und sein Ausharren bis zum Eintreffen der Rettungskräfte. Er meinte, dass ich mir keine Vorwürfe machen müsste und keine Schuldgefühle haben müsste, wir sind in der Bergen und so etwas kann einfach passieren, es macht schließlich keiner aus Absicht. Mir hat dieses Gespräch ausgesprochen viel gegeben, denn ich als "Auslöser" hatte/habe doch ein sehr schlechtes Gewissen. Nach diesem Gespräch und einer am späten Nachmittag eintreffenden SMS von Flo, die es in sehr ähnlicher Weise ausdrückt, wird mein Gefühl leichter und ich kann mich über das Erreichte von gestern langsam freuen und es genießen. Danke euch beiden dafür!
Florian hat sich übrigens doch nicht den Unterschenkel gebrochen (wie es ursprünglich im Zeitungsartikel geschrieben stand), sondern den linken und rechten Knöchel des rechten Fußes und ist möglicherweise morgen oder am Mittwoch soweit, um nach Hause transportiert zu werden. Wenn ich morgen in Lienz ankomme, hoffe ich ihn im Krankenhaus noch anzutreffen - es würde mich freuen, wenn ich ihm noch einen Besuch abstatten könnte.
Das war's für heute - es war einer, wenn nicht DER, emotional anstrengendste Tag der Tour ... morgen geht es dann, wie erwähnt, weiter zu meiner letzten Station, nach Lienz. Dort habe ich nichts Besonderes vor, außer einem Termin am Mittwoch um 14 Uhr - aber zu dem zu anderer Zeit. Ich werde die Zeit mit Schwimmen verbringen; ich freue mich echt darauf ein paar Längen zu schwimmen - die nächsten vier Tage mit der 2 Stundenkarte so täglich zwei Kilometer - genauso, wie ich es auf meiner Donau-Radweg-Tour Wien-Budapest vor zwei Jahren gemacht habe ... das hat damals einfach nur sooooo gut getan ... ich werde meine letzten Urlaubstage dafür nutzen, um "runter zu kommen" und das Erlebte zu verarbeiten.
Die Fahrt nach Lienz geht durchwegs bergab - Komoot gibt keine positiven Höhenmeter an, sodass ich für die Strecke von 41 Kilometern vermutlich keine zwei Stunden benötigen werde ... aber dazu dann morgen mehr ...