7.8. Dienstag: ... die Sonne weckt mich um 5:30 - sie schaut ein wenig über den Baumwipfeln des Campingplatzes daher und wärmt das Zelt. In der Nacht dürfte es doch recht frisch gewesen sein - wohl so ca. 10 °, mit dem guten Schlafsack aber kein Problem. Trotzdem wärmen die ersten Sonnenstrahlen sehr angenehm. Ich öffne das Vorzelt und gönne mir bei frisch einströmender Luft noch ein kleines Schläfchen. Um 7:30 Uhr stehe ich dann endgültig auf, braue mir einen Kaffee - tja, brauen ist nicht so, es gibt Cappucino aus dem Packerl ;-) - aber besser als nichts. Dan noch ein Schlückchen Wasser und es kann losgehen. Erst einmal werden alle Dinge im Zelt verpackt. Der Super-Isomatte wird die Luft rausgequetscht, das in mehreren Anläufen, damit sie ordentlich klein wird. Die Matte habe ich übrigens neu, eine Empfehlung aus einer Motorradzeitschrift - der Autor meinte, man schläft auf dieser wie im richtigen Bett - das kann ich zwar nicht ganz so bestätigen, aber es ist nicht weit davon entfernt. Ich habe eine etwas größere Variante bestellt, somit hängen die Füße nicht hinaus oder das Kopfkissen fällt nicht immer herunter. Sie ist echt bequem und hat sich die ersten zwei Nächte schon bezahlt gemacht. Der Schlafsack wird verstaut und sehr sehr klein komprimiert, der Sessel auseinandergelegt und verpackt, ebenso der Tisch. Am Ende wird noch der Kleinkram zusammengesammelt und verstaut, somit ist das Zelt leer. Ein kurzer Schwenk des Zeltes von der sonnenabgewandten auf die Sonnenseite und es kann auch der restliche Morgentau von der kräftiger werdenden Morgensonne getrocknet werden. Das ganze Prozedere braucht so eine halbe Stunde und dann noch das Verstauen auf dem Motorrad.
Ich schwinge mich auf meinen Roller, fahre an der Rezeption vorbei, gebe meine Campingplatzmarke ab und es kann losgehen. Regen ist für heute, für die 516 Kilometer bis zum Campingplatz in Rovaniemi keiner angesagt. Die Sonne lacht vom Himmel und außer meiner Motorradkleidung und einem T-Shirt habe ich nichts Wärmendes am Körper. Das stellt sich bald als Fehler heraus, denn nach den ersten 20 Kilometern Autobahnfahrt um Kuopio herum, als die Autobahn wieder zur Schnellstraße wird, fange ich doch ein wenig an zu frösteln. Das Thermometer zeigt 14° und das dürfte für eine längere Motorradfahrt - angegeben sind 5:46 Stunden - doch zu leicht bekleidet sein. Ich mache einen kurzen Halt und ziehe mir meine Fließjacke unter die Motorradjacke - deutlich besser. Die leichten Sommerhandschuhe tausche ich dann noch gegen die gefütterten, wind- und wasserdichten Handschuhe - nochmals besser. So geht es mehr oder weniger sehr sehr geradeaus durch hunderte Kilometer Wälder. Es sind auf der Straße, die mir mein Navi vorgeschlagen hat, sehr wenige Menschen unterwegs. Ich zähle einmal für 10 Minuten die Anzahl der entgegenkommenden Autos - ganze 14 Stück. Das ist gefühlt wirklich sehr wenig!
In regelmäßigen Abständen kommen so kleine Bushaltestellen - diese gibt es auf dem Land in ganz Finnland in dieser Art. Echt nett anzuschauen. Was mich jedoch beunruhigt sind de immer wieder angekündigten Rentier-Elch-Wechsel. Ich habe in einer Motorradzeitschrift vor Wochen gelesen, dass man ab - ich weiß nicht mehr an wo - jederzeit mit Rentieren auf der Fahrbahn rechnen muss. Bisher habe ich noch kein einziges gesehen, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Davor habe ich einen Höllen Respekt. Ich weiß bisher nicht wie schnell sie auftauchen, ob sie über die Fahrbahn sprinten oder gemächlich auf dieser herumstolzieren, keine Ahnung, was mich da erwarten wird.
Tatsächlich steht nach ungefähr 300 Kilometern Fahrt das erste Rentier mitten auf der Fahrbahn. Es verspert einem Autofahrer die Weiterfahrt, da es nur sehr langsam davontrottet - damit ist die Sache mit der Geschwindigkeit der Tierchen geklärt. Ich stoppe ebenfalls und halte diesen Moment im Bild unten fest.
Insgesamt habe ich heute 8 Rentiere entweder auf der Fahrbahn oder direkt am Fahrbahnrand gezählt. Auch hier weiß ich nicht, ob das wenig, viel oder der Durchschnitt ist. Jedenfalls möchte ich weder mit einem großen noch mit einem kleinen Exemplar zusammenstoßen. Eine besondere Begebenheit gab es noch mit einem kleineren Tier dieser Gattung. Es lief ganz langsam auf meiner Gegenfahrbahn aber in meine Fahrtrichtung. Ich sah es schon von weitem und habe dementsprechend auch abgebremst. Auf der Gegenseite - also der derzeitigen Rentier Seite - kam ebenfalls ein Auto entgegen. Das Auto wurde langsamer, das Rentier ist aber nicht, wie es vielleicht zu erwarten gewesen wäre, seitlich die Fahrbahn hinunter gegangen, sondern wechselte auf meine Spur. Somit war die neue Reihenfolge auf meiner Fahrbahn: Rentier und dann ich. Nachdem es auch keine Anstalten machte, die Fahrbahn zu verlassen, habe ich mich ganz vorsichtig an seiner rechten Seite vorbeigeschlichen. Es schaute mich noch etwas verdattert an, ich gab Gas und fuhr dann ungehindert in Richtung Rovaniemi weiter.
Nach ca. 6,5 Stunden Fahrt mit Tank- und Essenspausen komme ich am Campingplatz an. Es ist ein sehr sehr schön gelegener Platz an einem Fluss. Zur Begrüßung bekomme ich noch diverse Prospekte in die Hand gedrückt. Einige erzählen von Rovaniemi, andere von dem Weihnachtsmann Dorf. Dies werde ich ja morgen besuchen.
Was Rovaniemi über sich und seine Geschichte schreibt, möchte ich Euch jetzt hier zitieren: "Rovaniemi has a population of more than 60 000, but with a surface area of 8016 km2, Rovaniemi is the largest City in Europe — though much of it is covered in forest! Rovaniemi lies in a prime location at the place where two great rivers Kemijoki and Ounasjoki meet, so it is no surprise that it has a long history. Rovaniemi has always been the stopping place for those traveling north or coming south. Since early times it has been the gathering place for lumberjacks, traders, and handicraftsmen and it has been settled since the 1100s. The charter for the Municipality of Rovaniemi was drawn up in 1785 and it received City rights on 1.1.1960. The 1920s saw the birth of tourism here with the building of the legendary Hotel Pohjanhovi, souvenir shops, viewing points, and finaly, the start of the development at the Arctic Circle."
... und genau diesen Arctic Circle - jetzt nur wenige Kilometer entfernt - werde ich dann morgen besuchen. ... aber dazu dann morgen mehr ...
Jetzt werde ich mir mein Abendessen kochen, mich vor das Zelt setzen, die Abendsonne genießen und mein Büchlein weiterlesen - es fängt langsam an, echt spannend zu werden.