… die letzten 1,5 Stunden: Navi ist angebracht, das Ziel ist eingegeben, es kann losgehen – stockfinster, aber es sind ja nur drei Kilometer. Die Leute fahren wie die Blöden, als gäbe es kein Morgen, als müssten sie alle noch irgendwo ein Zimmer bekommen. Die Straßen sind grottenschlecht – bisher das mieseste, was mir unter die Reifen gekommen ist. Straßenmarkierungen gibt es keine, dafür Schlaglöcher, Erhebungen und allen möglichen anderen Kram. Und es wird gehupt – es stellt sich heraus, dass nicht wegen Gefahr gehupt wird, es wird nur „Laut gegeben“ weil einer ja noch schnell an dir vorbei möchte. Es kann dann anscheinend keinem im Nachhinein vorgeworfen werden, er hätte sich nicht bemerkbar gemacht. Die drei Kilometer sind ein einziges Hupkonzert – wie gesagt, es sind ja nur drei Kilometer. Doch im Dunkeln sind alle Katzen grau und die Orientierung ist trotz Navi etwas ungewöhnlich, zumal ich keine echte Adresse von Booking.com bekommen habe, sondern nur eine Straße und einen Namen Minicrociereinbarca – das schreibt sich tatsächlich so, Was das heißt, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe eine ungefähre Ahnung, wo die Unterkunft, ein Boot, sein müsste. Dahin lasse ich mich also leiten ;-). Die Adresse ist dann eine Hafenpizzeria – oder so etwas Ähnliches - vor dem Jachthafen. Ich bin vollkommen überfragt und teilweise überfordert, da ich nun überhaupt nicht mehr weiß, wohin. Ich rufe die Telefonnummer an, die ich über Booking.com bekommen habe und es meldet sich Paolo – na also, es geht ja. Er fragt: „Andreas?“ – „Yes!“ und dann kommt irgendeine Erklärung auf italienisch und etwas Englisch, die ich nicht verstehe. Ich sage ihm noch, dass ich bei der Pizzeria soundso stehe und bitte ihn, er möchte mich dort abholen. Er legt auf – kein Yes oder No – ich warte. Finster ist es, vor der Pizzeria sitzen ein paar Leute herum, vom Hafen kommt Disco Musik. Es ist ja erst 23:00 – ich habe ja noch Zeit – ich warte, warte, warte, dann wird es mir zu bunt und ich spreche einen Gast der Pizzeria an, der mit seinem iPad herumtut. Er kann Englisch – heute ist mein Glückstag ;-). Ich zeige ihm meine Reservierung – zwischenzeitlich habe ich sechsmal Paolo versucht zu erreichen – Antwort Mailbox – tja, wäre ja nicht das erste Mal, dass ich unter freiem Himmel am Hafen übernachte – hatte ich schon vor Jahren mal auf Sardinien gemacht und hat wunderbar funktioniert. Der freundliche und sehr hilfsbereite Gast (übrigens ein Einheimischer ;-)) kann mit der Adresse und dem Namen nichts anfangen. Beruhigend ist, als er meint, Paolo ist ein Allerweltsname und da kann irgendjemand, irgendwas dahinterstecken. Meine Entgegnung, Booking.com und die Kritiken sprechen ja nicht gerade für einen Betrüger, wischt er mit einer Handbewegung zur Seite. Also leider ist von dem sehr hilfsbereiten (und das ist er wirklich) Herrn keine fundierte Hilfe zu bekommen, ich habe ja eine ungefähre Ahnung, wo es sein müsste, also begebe ich mich wieder zu meinem Motorrad, starte und wende. In diesem Augenblick kommt ein Mann auf einem Roller daher und ruft laut fragend „Andreas?“ – Wow, er hat mich gefunden. Er fährt vor, ich hinterher, wir werden durch einen Absperrung gelassen – es ist ja Disco Time und ich stelle ein paar Meter weiter mein Motorrad am Hafen ab. Zum „Zimmer“ sind es noch so 100 Meter. Ich nehme meinen ersten Teil des Gepäcks mit und Paolo geleitet mich auf sein Boot. Es ist eine kleinere Jacht, die über eine Planke von der Hafenmauer zu begehen ist. Er meint gleich: Schuhe ausziehen – ich sage ich hole noch mein anderes Gepäck und komme dann zurück. Über die Planke ist abenteuerlich, sie liegt nicht am Hafenrand auf, sondern dazwischen ist so ca. 50 cm Luft. Ein großer Schritt mit dem Gepäck, der Heckkoffer hat locker 15kg, der Seitenkoffer vielleicht so 7, dann noch 2 Meter auf der ca. 40 cm breiten schwankenden Planke – links und rechts ist Wasser - ich habe es geschafft ;-). Ich setze mich erst mal hin, ziehe meine Stiefel und mein Motorradgewand aus, schlüpfe in meine kurze Hose und Paolo bringt ein gut gekühltes Bier.
Das ist Service und am Heck einer kleinen Jacht sitzend, habe ich auch nicht alle Tage. Paolo setzt sich zu mir und wir plaudern recht ausgiebig miteinander, er auf Italienisch mit etwas Englisch gespickt und ich auf Englisch. Die Verständigung ist ausgezeichnet und wird mit dem zweiten Bier noch besser ;-). Er erzählt, dass er als Kind mit seinen Eltern in Wien, Salzburg und Innsbruck war und die Zeit sehr gern gehabt hat. Dann eröffnet er mir noch, dass mein Zimmer morgen zwischen 10:30 und 20:00 auf Tour ist. Er nennt es Exkursion, eine amerikanische Familie aus San Diego hat sich ihn mit Boot für morgen gemietet. Mein Gepäck kann ich aber in der Kapitänskabine lassen. In der nächtige ich – er hat eine kleine Koje daneben. So gegen 23:45 verabschiedet er sich mit einem Buano Notte, gibt mir noch ein paar Instruktionen, wie ich das Boot vor dem Schlafengehen nachttüchtig machen soll und verschwindet in seiner Kajüte - die Kapitänskabine hat er ja vermietet. Ich sitze noch herum, genieße die extremst angenehmen Temperaturen und das leichte Schaukeln des Bootes – ein echt wohliges Gefühl. Um 0:30 gehe ich auch in meine Kajüte. Auch auf Booten habe ich schon ein paarmal geschlafen, aber das hier ist mit Abstand das kleinste – aber der Aufwand von vor 2 Stunden hat sich gelohnt – es ist einfach nett und total anders!